Colerianischer Adventskalender

04.12.2020

 

Vorsichtig, als könne die Tür sie beißen, schob sie diese weiter auf. Kein Widerstand, die pneumatische Schließung war nach dem Öffnen nicht wieder aktiviert worden, sonst wäre der Luftdruck im System zu spüren gewesen. Was zum Frell sollte das bedeuten? Als der Spalt weit genug war um hindurch zu schlüpfen, sah sie sich kurz um. Sie war allein im Korridor. Dann trat sie ein.

 

Sie fand den Mann mitten auf dem Wohnzimmerteppich. Er lag auf dem Rücken, Arme und Beine hielt er von sich gestreckt wie eine weggeworfene Kinderpuppe. Die stark blutende Wunde in seiner Brust war mehr als deutlich, der blutgetränkte Teppichstoff ebenfalls.

 

»Verdammt!«, rief sie entsetzt aus und stürzte zu ihm.

 

Noch während sie neben ihm niederkniete, wurde ihr unmissverständlich klar, dass er tot war. Rafale zwang sich zur Ruhe, atmete mehrmals tief durch. Es mochten nur ein paar Lidschläge vergangen sein, aber es fühlte sich wie Stunden an, bis ihre sich verengenden Gedanken wieder freier wurden. Ihr fiel eine weitere, kleinere Wunde am Bauch auf. Beide Wunden waren eindeutig keine Schussverletzungen, sondern das Werk von Stichwerkzeugen, vermutlich einem Vibromesser. Eine Plasmawaffe hätte versengte Kleidung und verkohltes Gewebe zurückgelassen. „Ein gutes Plasmagefecht riecht wie Feierabend in einer Frittierküche“ hatten die weniger zartbesaiteten Ausbilder im Schießtraining oft gesagt. Vermutlich war die Bauchwunde der erste Stich, der ihn überrascht und in die Knie gezwungen hatte. Dann hatte der Angreifer ihm den Rest gegeben. Sie hielt inne. Sie war dem Mörder eben begegnet. Der Mann am Turbolift!

 


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